Das Wunder, normal zu sein

Autorin: Rachel Wirth

Ich, ich bin nicht wichtig.

Ich habe es schon an anderer Stelle gesagt: Dank QiGong und Taiji habe ich das Wunder erfahren dürfen, normal zu werden. Dies soll ein Artikel werden zum Thema: persönliche Erfahrungen mit Qigong und Lebenspflege.

Ich kam im Frühjahr 1994 zu Lena um Qigong – Unterricht zu nehmen. Ich kam auf Empfehlung meiner Ärztin, bei der ich etwa schon ein halbes Jahr in Behandlung war, wegen meinen heftigen Stress-Symptomen. Diese Ärztin hatte mich zunächst mit Bachblüten und Homoöpathie behandelt und mich schon ein gutes Stück gerettet; ich war, wirklich unübertrieben, ein nervöses Wrack, voll abhängig von Zigaretten, Kaffee, Alkohol, völlig überfordert von meinen Aufgaben als selbständige Fotografin und als Mutter mit Sohn, aber ohne Mann , Macker und finanzielle Stützen. Irgendwie war ich echt in einen Stresstrudel geraten; morgens, meine ersten Worte waren Schimpfworte und dazu ein paar Tassen Kaffee, dann den ganzen Tag überfliegen und hetzen, um abends schliesslich mit viel Bier wieder zur Ruhe zu kommen, das Ganze getaucht in jede Menge Zigarettenqualm. Das mag vielleicht ein wenig dramatisch klingen, aber meine inneren Empfindungen waren wirklich sehr schrecklich; ich hatte nachts richtige Nervenschmerzen, was mich dann auch zu dieser Ärztin trieb.

Nur, nach eben diesem halben Jahr kam ich nicht weiter. Eigentlich war mein dringenster Wunsch, wieder an meine Kraft heranzukommen und als erstes, mich von der Droge Nikotin zu befreien. Es war für mich eine wahre “Erleuchtung”, daß solche simplen, langsamen Bewegungen so anstrengend sein können. Ich war ein Meister in Schnelligkeit und im Über-die-Grenzen-gehen, aber als ich bei Lena im Kurs stand, hab` ich mich echt geschämt für mein Geschnaufe bei den Übungen, und hab krampfhaft versucht, meine Anstrengung zu verbergen. Nach dem QiGong war ich oft richtig erschöpft, so wie ich das höchstens vom Joggen kannte. Oft hab ich mich dann nochmal ` ne Stunde hingelegt.

Seit dieser Zeit sind zwei Jahre vergangen. Es ist garnicht so einfach, nach dem sich soviel bewegt hat, sich zu erinnern an diese harten Zeiten, wo ich mir doch schon damals vorgenommen hatte, genau hinzuschauen und nichts zu verdrängen, damit ich möglichst viel lernen kann aus meiner eigenen Entwicklung, in der Hoffung, mehr Verständnis für andere Menschen entwickeln zu können, um ihre Sorgen besser wahrnehmen zu können. So dass ich auch nicht nur umsonst litt, sozusagen, als noch höheres Ziel, als nur die Selbstheilung.

Intensives üben bringt intensive Wirkung… ganz einfach. Das ungewohnte frühe Aufstehen um halb sechs hat mich total geschafft; ich konnte gar nicht mehr rauchen, immer weniger, am dritten Tag hab` ich keine einzige Zigarette mehr geraucht; und das war der Beginn meines Weges durch die Hölle. Jetzt bin ich frei, von vielen Sachen, für viele Sachen, auf jeden Fall vom Nikotin. Aber ich glaube, dieser Entzug war das Härteste, was ich bis hierher durchgemacht habe.Jedenfalls stand ich bei Lena und schnaufte mehr als die Frauen neben mir, die 20 Jahre älter sind. Es war schrecklich, aber zum Glück hab` ich nicht aufgehört. Dann, ein paar Monate später, bin ich mit nach Schwarzenberg gefahren, meinen damals 6 jährigen Sohn hab ich mitgenommen. Es war Anfang August und es war schön, auch draussen in solch einer natürlichen Umgebung zu üben.

Diese eine Woche intensiv – Qigong hat mich total umgewirbelt, … aber es ist nur ein Wunsch in Erfüllung gegangen! – Seltsame subtile Empfindungen spielten sich in meinem Körper ab. Ob es das Qigong war oder der Entzug, wieder in Hamburg hatte ich einige Wochen immer wieder so ein komisches Ziehen in den LaoGong-Punkten, in der Mitte der Hände und ebenso in den “Sprudelnden-Quell-Punkten” in der Mitte der Fussohlen. Gleichzeitig ein starkes Ziehen, wie ein Vakuum. Es war gut so, so gab es kein Zurück mehr. Ich ging weiterhin einmal wöchentlich in den QiGongkurs und begann dann im Winter 1995 jeden Tag 1 Stunde zu Joggen. Ich hatte das Gefühl, ich muss mich total reinigen. Ich hatte 15 Jahre sehr viel geraucht. 20-30 Zigaretten. Jetzt bin ich jeden Tag gerannt, um alles auszuschwitzen und mit dem Schweiss auch viel trübe Gedanken loszuwerden. Sehr, sehr langsam, aber stetig ging die Besserung voran. Im Frühjahr beschloss ich dann Ende August die China- Reise mitzumachen. Die schlimmsten Momente meines Nikotinentzugs waren wohl die Zeiten , wo ich einfach sehr durcheinander war und das Gefühl hatte, echt verrückt zu werden, aber garnicht im Zusammenhang mit der Sehnsucht nach einer Zigarette, und die Momente, wo ich einfach nur eine Leere, einen Sog wie ein Vakuum in meinem Bauch spürte, aber auch gleichzeitig genau wusste, eine Zigarette würde in dem Moment auch keine Linderung bringen.

Einfach durchgehen, das Ziel vor Augen, eines Tages die Sucht und das Süchtig- sein losgelassen zu haben. Und jeden Tag im Park rennen. Nach einem Jahr kam dann also die China-Reise. Ich war schon froh, doch nicht ganz so unfit dorthin zu kommen. Die meisten meiner Erfahrungen und Erkenntnisse mit dem Üben dort erscheinen mir sehr intim zu sein. Ich kann oder möchte nicht alles aufschreiben was mir einfällt….

Ich kann nur sagen, ich denke, mit Taiji kann ich manchmal das Wahre berühren … oder es berührt mich. Es steht vor mir wie ein Spiegel, wenn ich versuche eine Bewegung nur zu spielen, um vor den anderen eine perfekte Bewegung darzustellen,… anstatt ernsthaft mit den inneren Augen zu schauen , wie ich mich bewege.

Gut, wenn dieser Spiegel auftaucht. Gut, die Schmerzen, beim Anblick der eigenen Knoten, gut diese Schmerzen beim Auflösen der Knoten….. Angenehm, sehr angenehm die Entspannung , die sich ganz von allein im ganzen Körper breit macht nach einer Weile des Sich-Hingebens, dem Üben.

So ist es: bewusst kann man sich sehr viel Mühe geben, sein Bestes geben -. Vertrauen muss man haben in das, was sich entwickelt …so, wie man eine Pflanze setzt und sich nicht täglich hinstellt und mit beiden Händen an ihr zieht, damit sie wächst. Lässt man los- und sie wird gewachsen sein.

Gelassenheit.

Gibt man sein Bestes, weiss man, dass man sich bemüht hat, kann man ruhig gelassen sein. Das ist für mich die Freiheit , die ich mir im Kampf mit meinen Dämonen erobert habe. Ich fand meinen Kampf sehr intensiv und lang – fast 2 Jahre. Im Moment habe ich eine Basis für mein Leben , wie ich sie mir immer gewünscht habe. Früher dachte ich immer, diese spirituellen Wege und alles, es sei so viel zu erreichen, man muss etwas Besonderes werden. In den letzten 2 Jahren habe ich festgestellt, dass dieser Weg einer spirituellen Entwicklung eigentlich eher ein Weg zurück ist. Zurück zur Einfachkeit, alles Besondere ist nur Ballast, ein klarer Geist lässt einen gesunden Körper glücklich reagieren; so wie wir es bei den Kindern beobachten können. Einfach und ohne Vorurteile und Wünsche lässt sichs einfach glücklicher sein. Amen!

Ernsthaft ist es schon gemeint, nur, ich meine natürlich, wir können nicht wieder zu Kindern werden, aber um nochmal Werbung fürs Taji zu machen, man kann, wenn man wirklich intensiv übt, etwas von der Reinheit des Kindseins wieder erspüren. Und in diesem Sinne mal die Welt und die eigene Umgebung zu betrachten, das heisst ganz mit den eigenen Augen, ist sicherlich ein guter Beitrag, wenn man sein eigenes Leben bewusst und selbstverantwortlich gestalten möchte.

 
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